Liebe Lou,

nun bist Du ein Jahr alt, wir hatten grosse Freude an Dir in diesem Jahr, wie Du gesund gewachsen bist, wie Du schon ein bisschen von dieser Welt, zumindest von Deiner nächsten Umgebung entdecken konntest, wie Dich Linda und David umsorgen, wie sie sich freuen dass Du da bist. Das ist ein grosses Geschenk und nicht selbstverständlich.

Ich möchte Dir berichten was in Deinem ersten Lebensjahr rund um das Klima auf der Welt geschehen ist. Die CO2-Konzentration auf dem Jungfraujoch ist im Dezember auf durchschnittlich 422.5 ppm angestiegen, 2.7 ppm mehr als im letzten Dezember 21, als Du auf die Welt gekommen bist. Das entspricht exakt dem Mittel des langjährigen Anstiegs. Alle bisherigen Bemühungen um eine Reduktion des Treibhausgasausstosses, und auch die Corona-Pandemie haben sich in der Konzentration des CO2 nicht niedergeschlagen. Der Tanker fährt unbeirrt vorwärts obwohl man sich immer mehr bemüht ihn zu bremsen. Ein träges System !

1948 —-> 2022
5.4°C —-> 7.4°C

Dein 1. Lebensjahr war das wärmste Jahr in der Schweiz seit Messbeginn vor mehr als 150 Jahren. 2022 war es im Durchschnitt 7.4°C, zwei Grad wärmer als 1948, als ich geboren wurde. Die sieben wärmsten Jahre seit Messbeginn 1864 waren alle in den letzten 12 Jahren.

Du hast natürlich die warmen Tage genossen, nackt oder leicht bekleidet konntest Deine eigene Haut entdecken. Du warst in den Sommerferien zum ersten Mal in Frankreich, in Le Breuil, wo Dein Vater ein ziemlich sanierungsbedürftiges Haus gekauft hat. Wir empfinden die wärmeren Sommer leider immer noch als angenehm.

> 30°C

Im Tessin stieg das Termometer 14 Tage nacheinander über 30°C

In Pakistan hat die Bevölkerung in Deinem ersten Lebensjahr die schlimmsten Überschwemmungen erlebt seit Menschengedenken. Zwei Drittel des Landes, das eine 20 Mal grössere Fläche als die Schweiz aufweist sind vom Monsunregen überschwemmt. Meteorologen und Weltorganisationen gehen alle davon aus, dass das eine Folge des Klimawandels ist.

  • 33’000’000 Menschen direkt betroffen
  • 8’000’000 Menschen mussten Heimatregion verlassen
  • 15’000 Menschen wurden verletzt
  • 1’700 Menschen starben, davon 4000 Kinder
Klimastreik „Friday for future“ am 25. März 2022 in Zürich

Greta Tunberg, die Ikone der Klimaaktivisten und Urheberin der „Fridays for future“ Streiks meint, es sei besser bestehende AKW weiter laufen zu lassen als Kohlekraftwerke zu betreiben. Sie hat die Klimaaktivistinnenszene gespalten und ein Tabu gebrochen. Die Streiks finden in der Schweiz immer noch statt, nur wird in den Medien nicht mehr berichtet. Deshalb werden die Aktionen immer vielfältiger und spektakulärer. Man behindert den Verkehr, in dem man die Hände auf den Asphalt klebt. Ich war nur an einem Streik im März mit Vreni und fast nur jungen Leuten.

Sharm el-Sheikh, die 27. Klimakonferenz (COP, Conference of Parties) im Nov 2022

Im November hat die 27. Klimakonferenz COP27 in Ägypten statt gefunden. Es ging im Wesentlichen um die Frage, wer die Klimaschäden der armen Länder wie beispielsweise Pakistan bezahlt. Weltweit betragen die Schäden im Durchschnitt der letzten 20 Jahre 210 Milliarden $ pro Jahr, etwa das Bruttosozialprodukt von Griechenland. Man ist sich nicht einig, ebenso wenig wie man sich auf verbindliche CO2-Reduktionziele einigen konnte. Vor allem China als grosser Verursacher von Treibhausgasemissionen betrachtet sich als „Entwicklungsland“ das nicht verpflichtet ist zu reduzieren.

Im internationalen Klima-Ranking ist die Schweiz von Platz 15 auf 22 abgerutscht, noch hinter der EU. Die CO2-Reduktion gehe zu wenig schnell und die politischen Massnahmen fehlen.

15 —-> 22

Aus der Schweiz gibt es dennoch Erfreuliches zu berichten. Der Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative wurde vom Parlament angenommen. Es ist ein Rahmengesetz das das Netto-Null-Ziel auf 2050 verbindlich festlegt und die entsprechenden Massnahmen gesetzlich regelt. Die SVP hat das Referedum dagegen ergriffen. Im Juni wird abgestimmt, ich gehe davon aus, dass das Gesetz angenommen wird.